21. Juli 1945

Fünfte Plenarsitzung

Truman:
Über die heutige Sitzung der Außenminister wird Herr Byrnes berichten.
Byrnes:
Die Außenminister haben die Frage erörtert, wann die Einberufung des Rates der Außenminister erfolgt, und kamen überein, dass der Rat bis spätestens 1. September konstituiert werden soll. Sie vereinbarten auch, dass an die Regierung Chinas und an die Provisorische Regierung Frankreichs Telegramme zu senden sind mit der Einladung zur Teilnahme an der Arbeit des Rates, bevor die Bildung des Rates der Öffentlichkeit bekanntgegeben wird. Auf Bitte der britischen Delegation wurde die Redaktionskommission, die sich mit dieser Frage beschäftigt, beauftragt, einige geringfügige Abänderungen am Textentwurf vorzunehmen.
Die nächste Frage - wirtschaftliche Grundsätze bezüglich Deutschlands. Da der Bericht des Ausschusses über diese Frage eben erst vorgelegt wurde und unsere Delegationen nicht die Möglichkeit hatten, ihn gründlich zu studieren, kamen sie überein, die Erörterung dieser Frage bis auf morgen zu vertagen.
Die nächste war die polnische Frage - über die Liquidierung der Londoner Regierung und die Erfüllung der Erklärung von Jalta. Der Vorsitzende des Ausschusses, der sich mit dieser Frage befasst, erstattete im Namen des Ausschusses Bericht. Angesichts dessen, dass der Ausschuss keine völlige Einigung erzielen konnte, wurden die Fragen, über die Meinungsverschiedenheiten bestanden, eingehend von den Außenministern erörtert. Die Minister einigten sich über einige dieser Punkte, aber die folgenden Punkte werden den Regierungschefs zur endgültigen Entscheidung übergeben.
Ich denke, dass Ihnen die zur Entscheidung vorgelegten Meinungsverschiedenheiten klarer werden, wenn Sie den Bericht des Ausschussvorsitzenden vor sich haben. Folgende Fragen werden Ihnen zur Entscheidung vorgelegt: a) der Punkt, der sich auf die Übergabe der Guthaben an die polnische Regierung und auf die Anerkennung der Verpflichtungen gegenüber den Regierungen Großbritanniens und der USA seitens der polnischen Regierung bezieht; b) der Punkt, der sich auf die Durchführung von Wahlen und auf die Pressefreiheit bezieht.
Über den ersten Punkt der Meinungsverschiedenheiten, die sich auf die Übergabe der Guthaben an die polnische Regierung und die Anerkennung der Verpflichtungen gegenüber der englischen und amerikanischen Regierung durch Polen bezogen, berichtete der Ausschussvorsitzende das Folgende: Die britische Regierung und die Regierung der USA haben bereits Maßnahmen getroffen, um die Übereignung polnischen Eigentums an Dritte zu verhindern, jenes Eigentums, das sich auf dem Territorium der USA und Großbritanniens befindet und unter der Kontrolle ihrer Regierungen steht, unabhängig davon, welcher Art dieses Eigentum auch sein mag. Sie sind bereit, unverzüglich Maßnahmen zur Übergabe dieses Eigentums an die polnische nationale Regierung nach den gesetzlichen Vorschriften zu treffen. Und zu diesem Zweck sind sie bereit, mit den entsprechenden Vertretern der Provisorischen Polnischen Regierung die Art und Weise und die Termine der Übergabe dieses Eigentums zu erörtern.
Die Formulierung dieses Vorschlages wurde Gegenstand von Meinungsverschiedenheiten. Die Position der USA-Regierung besteht darin, dass die Frage der Guthaben Gegenstand von Verhandlungen zwischen der Regierung des polnischen Staates und der USA-Regierung sein soll. Gleichzeitig soll zwischen ihnen auch die Frage der Verpflichtungen der polnischen Regierung erörtert werden. Die Regierung der USA ist überzeugt, dass die Provisorische Polnische Regierung nicht an unserer Bereitschaft zweifelt, sämtliches Eigentum in ihre Verfügung zu übergeben, das ihr nach den bei uns bestehenden Gesetzen gehört.
Deshalb schlagen wir vor, den Punkt, der diese Frage betrifft, folgendermaßen zu formulieren: „Die britische Regierung und die Regierung der USA haben Maßnahmen zum Schutz der Interessen der Provisorischen Polnischen Regierung als der anerkannten Regierung des polnischen Staates hinsichtlich des Eigentums getroffen, das dem polnischen Staat gehört, in ihren Gebieten liegt und unter ihrer Kontrolle steht, unabhängig davon, welcher Art dieses Eigentum auch sein mag. Wir haben weiterhin Maßnahmen zur Verhinderung einer Übereignung derartigen Eigentums an Dritte getroffen. Der Provisorischen Polnischen Regierung werden alle Möglichkeiten zur Anwendung der üblichen gesetzlichen Maßnahmen geboten werden zur Herstellung eines beliebigen Eigentumsrechts des polnischen Staates, das ihm ungesetzlich entzogen worden sein sollte.“
Werden wir diesen Punkt der Meinungsverschiedenheiten erörtern, oder kann der Bericht fortgesetzt werden?
Stalin:
Hören wir zunächst den Bericht an und gehen dann zur Erörterung über.
Byrnes:
Keine Meinungsverschiedenheiten gab es über den folgenden Punkt: „Die drei Mächte sind darum besorgt, der Provisorischen Polnischen Regierung in der Angelegenheit der Erleichterung der möglichst baldigen Rückkehr aller Polen im Ausland nach Polen behilflich zu sein, und zwar aller Polen im Ausland, die nach Polen zurückzukehren wünschen, einschließlich der Mitglieder der polnischen bewaffneten Streitkräfte und der polnischen Handelsmarine. Sie erwarten, dass den in die Heimat zurückkehrenden Polen die gleichen persönlichen und eigentumsmäßigen Rechte zugebilligt werden wie allen übrigen polnischen Bürgern.“
Meinungsverschiedenheiten gibt es über den folgenden Punkt: „Die drei Mächte nehmen zur Kenntnis, dass die Provisorische Polnische Regierung in Übereinstimmung mit den Beschlüssen der Krim-Konferenz der Abhaltung freier und unbehinderter Wahlen, die so bald wie möglich auf der Grundlage des allgemeinen Wahlrechts und der geheimen Abstimmung durchgeführt werden sollen, zugestimmt hat, wobei alle demokratischen und antinazistischen Parteien das Recht zur Teilnahme und zur Aufstellung von Kandidaten haben. Die drei Mächte geben der ernsten Hoffnung Ausdruck, dass die Wahl so durchgeführt wird, dass aller Welt klar wird: Alle demokratischen und antinazistischen Kreise der polnischen Öffentlichkeit hatten die Möglichkeit, frei ihre Ansichten zu äußern und damit unbeschränkt teilzunehmen an der Wiederherstellung des politischen Lebens im Lande.
Des weiteren erwarten die drei Mächte, dass Vertreter der alliierten Presse die volle Freiheit genießen werden, der Welt über die Entwicklung der Ereignisse in Polen vor und während der Wahlen zu berichten.“
Die Meinungsverschiedenheiten bestehen darin, dass die sowjetische Delegation vorschlägt, die beiden letzten Sätze dieses Punktes zu streichen. Herr Eden hat sich damit einverstanden erklärt, unter der Bedingung, dass der Satz über den freien Zugang der Vertreter der alliierten Presse nach Polen bleibt.
Somit ist der erste Gegenstand von Meinungsverschiedenheiten der Punkt über die Übergabe der Guthaben ohne Erwähnung der Verschuldung.
Truman:
Mit Rücksicht auf unsere Gesetze ist es unmöglich, von den Guthaben zu sprechen und kein Wort über die Verschuldung zu sagen. Ich hatte mich auch gestern bereits dazu geäußert. Die Vereinigten Staaten haben nicht die Absicht, sich eine derartige Belastung aufzubürden. Wir können nicht die Verpflichtung übernehmen, der polnischen Regierung alle Guthaben zu übergeben, ohne die Verpflichtungen zu erörtern, die sie ihrerseits übernimmt.
Churchill:
Wir sind einverstanden mit dem Vorschlag des Präsidenten, wonach der polnischen Regierung die Guthaben nur unter der Bedingung übergeben werden, dass gleichzeitig die Verpflichtungen erwähnt werden, die die polnische Regierung übernimmt.
Byrnes:
Unsere Fassung, die in der Hoffnung auf einen Kompromiss vorgelegt wurde, spricht weder von Guthaben noch von Schulden. Wir sagen, dass die britische Regierung und die Regierung der USA bereits Maßnahmen getroffen haben zum Schutz der Interessen der polnischen Regierung hinsichtlich des Eigentums, das in ihren Gebieten liegt, welcher Art dieses Eigentum auch sein mag. In dem Entwurf heißt es ebenfalls, dass beide Regierungen bereits Maßnahmen zur Verhinderung einer Übereignung derartigen Eigentums an Dritte getroffen haben. Weiterhin wird dort gesagt, dass der polnischen Regierung alle Möglichkeiten zur Anwendung der üblichen gesetzlichen Maßnahmen geboten werden zur Wiederherstellung eines beliebigen Eigentumsrechts, dass ungesetzlich entzogen worden sein sollte.
Churchill:
Hier ist weder von Guthaben noch von Verpflichtungen die Rede.
Byrnes:
Ich hatte bereits über die Momente gesprochen, die unser Entwurf enthält.
Churchill:
Hier ist nichts gesagt über die Übertragung von Verpflichtungen gegenüber Großbritannien auf die Provisorische Polnische Regierung, und zwar die 120 Millionen Pfund Sterling, die wir der ehemaligen polnischen Regierung in London vorgeschossen haben. Mit anderen Worten, wir befinden uns in der gleichen Lage wie Sie.
Byrnes:
Wenn die sowjetische Regierung ebenfalls über Eigentum verfügte, das der polnischen Regierung gehört, so könnte diese Frage auf diplomatischem Wege gelöst werden. Meines Erachtens besteht keine Notwendigkeit, öffentlich die Übergabe des der polnischen Regierung gehörenden Eigentums zu erwähnen, das der Regierung Polens nach der Anerkennung durch die Regierung der USA zu übergeben ist.
Churchill:
Ich fasse es also so auf, dass wir jetzt den Gedanken von den Guthaben und den Verpflichtungen weglassen. Für uns ist diese Frage natürlich wichtiger als für die USA, auf Grund dessen, dass wir der ehemaligen polnischen Regierung in London große Vorschüsse gewährt haben.
Truman:
Es gefällt mir nicht, wenn hier vorgeschlagen wird, eine öffentliche Erklärung über die Erfüllung dieser Verpflichtungen abzugeben.
Churchill:
Ich bin mit ihnen einverstanden.
Stalin:
Gedenkt die britische Regierung die Vorschüsse, die sie zur Erhaltung der polnischen Truppen gewährt hat, von Polen in vollem Umfang zurückzufordern?
Churchill:
Nein. Das werden wir mit den Polen erörtern.
Stalin:
Wir haben bestimmte Mittel für die Regierung Sikorski und auch für den Aufbau der Armee der provisorischen nationalen Regierung verwendet. Wir sind aber der Ansicht, dass das polnische Volk diese Schulden mit seinem Blute getilgt hat. Ich halte den Kompromissvorschlag der amerikanischen Regierung für akzeptabel mit Ausnahme der Stelle, wo es heißt, dass der Provisorischen Polnischen Regierung alle Möglichkeiten zur Anwendung der üblichen gesetzlichen Maßnahmen geboten werden. Ich schlage vor, statt dessen zu sagen: Der Provisorischen Polnischen Regierung werden entsprechend den gesetzlichen Forderungen alle Möglichkeiten geboten. Mit dieser Abänderung könnte man den Kompromissvorschlag der amerikanischen Delegation annehmen.
Churchill:
Und wo ist da ein Unterschied?
Stalin:
Der Unterschied besteht darin, dass die Verzögerung entfällt, die es bei den „üblichen gesetzlichen Maßnahmen“ gibt. Wenn man sagt, auf gesetzlicher Grundlage, wird es einfacher sein. Aber das ist letzten Endes eine Kleinigkeit, man kann den Vorschlag der amerikanischen Delegation auch in ihrer Formulierung akzeptieren.
Byrnes:
Der nächste Punkt, über den es Meinungsverschiedenheiten gab, bezieht sich auf diese Formulierung: „Die drei Mächte nehmen zur Kenntnis, dass die Provisorische Polnische Regierung in Übereinstimmung mit den Beschlüssen der Krim-Konferenz zugestimmt hat ...“ usw. Gegen diese Formulierung hatte Herr Eden Einwände.
Eden:
Ich schlage eine Kompromissformel vor, gegen die seitens der sowjetischen Delegation Einwände erhoben wurden, und zwar: Von den Worten „die drei Mächte geben der ernsten Hoffnung Ausdruck“ bis zu den Worten „ihre Ansichten“ diese ganze Stelle zu streichen, aber den letzten Satz über die Zulassung von Vertretern der alliierten Presse zu belassen.
Stalin:
Es ist gut, dass Herr Eden den Interessen und der Würde Polens entgegengekommen ist. Das ist zu begrüßen. Und wenn er noch einen weiteren Schritt in dieser Richtung tut, so werden wir meines Erachtens alle dem Vorschlag zustimmen können. (Heiterkeit) In den vorangehenden Zeilen heißt es, dass die polnische Regierung die Krim-Erklärung zu erfüllen hat. Warum soll man diesen Gedanken noch einmal wiederholen?
Ausländische Korrespondenten werden nach Polen kommen und nicht zur polnischen Regierung, sie werden volle Freiheit genießen, es wird von ihrer Seite keine Klagen über die polnische Regierung geben. Wozu ist es nötig, das noch ein weiteres Mal zu wiederholen? Die Polen werden sich dadurch gekränkt fühlen, sie werden darin einen Argwohn sehen, als wollten sie keine Korrespondenten zulassen. Lassen wir doch diesen Punkt enden mit den Worten „Alle demokratischen und antinazistischen Parteien werden das Recht zur Teilnahme und zur Aufstellung von Kandidaten haben“, und das übrige streichen wir.
Churchill:
Das ist kein Kompromiss. (Heiterkeit)
Stalin:
Das ist ein Kompromiss hinsichtlich der polnischen Regierung. (Heiterkeit)
Churchill:
Und ich hatte eher daran gedacht, diese Formulierung zu verstärken als sie abzuschwächen.
Stalin:
Wozu soll man das tun?
Truman:
Wir interessieren uns sehr für die Frage der Wahlen in Polen, weil es bei uns sechs Millionen Bürger polnischer Abstammung gibt. Wenn die Wahlen in Polen in voller Freiheit durchgeführt werden und unsere Korrespondenten völlig frei ihre Informationen über die Durchführung und die Ergebnisse der Wahlen mitteilen können, so wird dies für mich als Präsident sehr wichtig sein. Ich meine, dass die polnische Regierung, wenn sie von vornherein weiß, dass die drei Mächte seitens der polnischen Regierung die Durchführung freier Wahlen und freien Zugang für die Vertreter der Presse der alliierten Länder erwarten, die in den Beschlüssen der Krim-Konferenz enthaltenen Verpflichtungen äußerst sorgfältig erfüllen wird.
Stalin:
Ich gedenke - sehen Sie, Herr Eden, ich bin zu einem Kompromiss bereit - folgenden Vorschlag einzubringen: nach den Worten „Aufstellung von Kandidaten“ ein Komma zu setzen und weiter zu sagen, „und die Vertreter der alliierten Presse werden volle Freiheit genießen, der Welt über den Verlauf und die Ergebnisse der Wahlen zu berichten“.
Truman:
Das sagt mir zu.
Churchill:
Eine Rolle spielen hier die Worte „nehmen zur Kenntnis“ zu Beginn des Absatzes. Ich bin ebenfalls einverstanden.
Byrnes:
Die nächste Frage - über die Erfüllung des Abkommens von Jalta über das befreite Europa und die Vasallenländer. Die Delegation der USA hat zwei Dokumente zu dieser Frage vorgelegt, aber auf der Sitzung der Außenminister wurde beschlossen, die Erörterung zu vertagen, um die Dokumente studieren zu können. Die Außenminister kamen überein, diese Dokumente der Redaktionskommission zu übergeben. Es entstanden jedoch Meinungsverschiedenheiten darüber, ob sich die Kommission mit jedem Dokument einzeln befassen oder beide als ein Dokument werten soll. Die sowjetische Delegation sprach sich für ein einheitliches Dokument aus, die amerikanische Delegation hingegen für zwei selbständige Dokumente. Sie einigten sich, angesichts dessen, dass die Frage der Politik gegenüber Italien und den anderen Vasallen von den Regierungschefs an die Außenminister überwiesen wurde, die Regierungschefs zu bitten, auf der heutigen Sitzung die Frage zu entscheiden, welche Weisung der Redaktionskommission zu geben ist: ein einheitliches Dokument über alle diese Länder vorzubereiten oder zwei Dokumente, ausgehend von den amerikanischen Entwürfen.
Truman:
Auf der ersten Sitzung hat die amerikanische Delegation zwei Dokumente vorgelegt: das erste über die Politik gegenüber Italien (diese Frage wurde gestern und vorgestern lange erörtert) und das zweite Dokument über die Außenpolitik gegenüber Rumänien, Bulgarien, Ungarn und Finnland. Wir denken, dass man diese beiden Fragen gesondert behandeln muss, da Italien das erste Land war, das kapituliert und dann am Krieg gegen Deutschland teilgenommen hat. Außerdem bestehen zwischen der Regierung der USA und Italien diplomatische Beziehungen; die Regierung der USA unterhält keine solche Beziehungen mit den Regierungen der genannten Länder. Doch das bedeutet nicht, dass wir der Meinung sind, die Frage Italien müßte früher als die Frage dieser Länder gelöst werden. Ich wiederhole, wir sind der Ansicht, dass es notwendig ist, diese beiden Fragen gesondert zu behandeln.
Stalin:
Ich habe eine Abänderung zu den Vorschlägen der Amerikaner zur Frage der Politik gegenüber Rumänien, Bulgarien, Ungarn und Finnland. Im Prinzip habe ich keine Einwände gegen diese Vorschläge, aber zum zweiten Punkt möchte ich eine Ergänzung einbringen. Im zweiten Punkt heißt es: „Die drei Regierungen erklären“ das und das und das, und danach schlage ich vor, die Worte hinzuzusetzen: „Und im gegenwärtigen Augenblick erklären sie, dass sie die Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen mit ihnen für möglich halten.“
Truman:
Ich kann mich damit nicht einverstanden erklären.
Stalin:
Dann wird man die Erörterung beider Entwürfe - sowohl über Italien als auch über diese Länder - vertagen müssen.
Truman:
Wir sind nicht bereit, mit den Regierungen dieser Länder diplomatische Beziehungen aufzunehmen. Außerdem befanden wir uns niemals im Kriegszustand mit Finnland. Doch, wie ich bereits gesagt habe, wenn die Regierungen dieser Länder auf der Grundlage freier Wahlen umgebildet wurden, sind wir bereit, mit ihnen diplomatische Beziehungen herzustellen.
Stalin:
Ich kann ohne die von mir vorgeschlagene Ergänzung nicht zustimmen.
Churchill:
Die Zeit geht dahin; wir sitzen hier bereits eine Woche, und wir stellen eine große Zahl von Fragen zurück.
Die Position der britischen Regierung ist in dieser Frage die gleiche wie die der USA.
Byrnes:
Die folgende Frage - über die Tagesordnung der heutigen Sitzung der Regierungschefs. Wir sind übereingekommen, dass die Außenminister den Regierungschefs empfehlen werden, die beiden erwähnten Fragen auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung zu setzen, die den Außenministern von den Regierungschefs vorher übergeben worden waren und zu denen die Außenminister weitere Weisungen erhalten möchten, sowie drei Fragen, die auf der Tagesordnung der gestrigen Sitzung der Regierungschefs unerledigt blieben. Es wird also die folgende Tagesordnung für die heutige Sitzung vorgeschlagen:
1. Die polnische Frage - die Liquidierung der Londoner Regierung und die Erfüllung des Abkommens von Jalta.
2. Die Frage, ob die Redaktionskommission bei der Ausarbeitung der Frage über die Politik gegenüber Italien und den anderen Vasallen eine gesonderte Empfehlung für Italien oder eine einheitliche Empfehlung für alle Länder, von denen hier die Rede ist, vorbereiten soll.
3. Die polnische Westgrenze. Die sowjetische Delegation hat gestern ein Dokument zu dieser Frage vorgelegt.
4. Treuhandschaft. Die sowjetische Delegation hat gestern auch zu dieser Frage ein Dokument vorgelegt.
5. Türkei. Man nimmt an, dass die britische Delegation den Wunsch hat, zu dieser Frage mündlich eine Stellungnahme vorzutragen.
Truman:
Gestatten Sie mir, eine Erklärung zur Westgrenze Polens abzugeben. In dem Abkommen von Jalta wurde festgelegt, dass das Territorium Deutschlands von den Truppen der vier Mächte - Großbritannien, UdSSR, USA und Frankreich - besetzt wird, von denen jede ihre Besatzungszone erhält. Die Frage der Grenzen Polens wurde auf der Konferenz berührt, aber in dem Beschluss hieß es, dass diese Frage endgültig auf der Friedenskonferenz entschieden werden soll. Auf einer unserer ersten Sitzungen haben wir beschlossen, bei der Erörterung der künftigen Grenzen Deutschlands von den Grenzen Deutschlands im Dezember 1937 auszugehen.
Wir haben unsere Besatzungszonen und die Grenzen dieser Zonen festgelegt. Wir haben unsere Truppen in diese Zonen zurückgezogen, so wie es festgelegt war. Aber jetzt hat offensichtlich eine weitere Regierung eine Besatzungszone erhalten, und das geschah, ohne uns zu konsultieren. Wenn man der Meinung war, dass Polen zu den Mächten gehören soll, denen eine eigene Besatzungszone zugewiesen wird, hätte man sich darüber früher verständigen müssen. Es ist für uns schwierig, einer solchen Lösung der Frage zuzustimmen, da es zu dieser Frage keinerlei Konsultationen mit uns gegeben hat. Ich bin Polen freundschaftlich gesonnen und werde den Vorschlägen der sowjetischen Regierung über die Westgrenze möglicherweise uneingeschränkt zustimmen, aber ich möchte das nicht jetzt tun, da es dafür einen anderen Ort geben wird, und zwar die Friedenskonferenz.
Stalin:
In den Beschlüssen der Krim-Konferenz hieß es, nach der Ansicht der drei Regierungschefs soll die Ostgrenze Polens entlang der Curzonlinie verlaufen, womit also die Ostgrenze Polens auf der Konferenz festgelegt wurde. Was die Westgrenze betrifft, so hieß es in den Beschlüssen der Konferenz, dass Polen einen beträchtlichen Gebietszuwachs im Norden und Westen erhalten muss. Es hieß dort weiter: Sie, das heißt die drei Regierungen, sind der Ansicht, dass die Meinung der neuen polnischen Regierung der Nationalen Einheit über den Umfang dieses Gebietszuwachses zu gegebener Zeit einzuholen ist und dass die endgültige Festlegung der Westgrenze Polens bis zur Friedenskonferenz zurückzustellen ist.
Truman:
Ich habe das auch so verstanden. Aber wir waren und sind nicht berechtigt, Polen eine Besatzungszone zuzuweisen.
Stalin:
Die polnische Regierung der Nationalen Einheit hat bereits ihre Ansicht über die Westgrenze geäußert. Ihre Ansicht ist uns in allem bekannt.
Truman:
Über diese Westgrenze hat es bislang keine offizielle Erklärung gegeben.
Stalin:
Ich spreche von der Ansicht der polnischen Regierung. Sie ist uns allen bekannt. Wir können uns jetzt über die Westgrenze Polens einigen, und auf der Friedenskonferenz soll die Westgrenze endgültig sanktioniert werden.
Truman:
Herr Byrnes hat die Erklärung der polnischen Regierung erst heute empfangen. Wir konnten uns damit noch nicht entsprechend vertraut machen.
Stalin:
Unser Vorschlag läuft darauf hinaus, dass wir unsere Meinung zum Wunsch der polnischen Regierung, eine solche Westgrenze zu haben, äußern. Ob wir unsere Meinung heute oder morgen äußern, das ist völlig belanglos.
Was die Frage betrifft, dass wir den Polen eine Besatzungszone eingeräumt haben ohne Einverständnis der verbündeten Regierungen, so ist diese Frage nicht exakt gestellt. Die amerikanische Regierung und die britische Regierung haben uns in ihren Noten wiederholt vorgeschlagen, keine polnische Verwaltung in den Westgebieten zuzulassen, solange die Frage der Westgrenze Polens nicht endgültig entschieden ist. Das konnten wir nicht tun, da die deutsche Bevölkerung hinter den zurückweichenden deutschen Truppen nach dem Westen abzog. Die polnische Bevölkerung dagegen ging vorwärts, nach dem Westen, und unsere Armee brauchte in ihrem Hinterland, in dem Gebiet, das die Armee besetzte, eine örtliche Verwaltung. Unsere Armee kann nicht gleichzeitig eine Verwaltung im Hinterland aufbauen, kämpfen und das Territorium vom Feind säubern. Das ist sie nicht gewohnt. Deshalb haben wir die Polen hereingelassen.
In diesem Sinne antworteten wir damals unseren amerikanischen und englischen Freunden. Wir waren dazu um so mehr bereit, als wir wußten, dass Polen einen Gebietszuwachs westlich von seiner früheren Grenze erhält. Ich weiß nicht, was es unserer gemeinsamen Sache schaden kann, wenn die Polen ihre Verwaltung in dem Gebiet einrichten, das ohnehin bei Polen verbleiben soll. Ich bin am Ende.
Truman:
Ich habe keine Einwände gegen die hier geäußerte Meinung über die künftige Grenze Polens. Aber wir haben uns geeinigt, dass sich alle Teile Deutschlands unter der Leitung der vier Mächte befinden sollen. Und es wird sehr schwer sein, zu einer gerechten Lösung der Reparationsfrage zu kommen, wenn wichtige Teile Deutschlands von einer Macht besetzt sind, die nicht zu den vier Mächten zählt.
Stalin:
Haben Sie etwa Angst wegen der Reparationen? Wir können auf die Reparationen aus diesen Gebieten verzichten, bitte sehr.
Truman:
Wir haben nicht die Absicht, sie zu bekommen.
Stalin:
Was diese Westgebiete betrifft, so gibt es darüber keinen Beschluss, die Frage bleibt offen. Es wurde nur versprochen, die Grenzen Polens nach dem Westen und Norden auszudehnen.
Churchill:
Ich hätte viel über den Verlauf der Westgrenze Polens zu sagen, aber, soweit ich verstanden habe, ist dazu jetzt noch nicht die Zeit.
Truman:
Die Festlegung der künftigen Grenzen ist Sache der Friedenskonferenz.
Stalin:
Es ist sehr schwer, die deutsche Verwaltung im westlichen Streifen wiederherzustellen - alle sind geflohen.
Truman:
Sollte die sowjetische Regierung Hilfe bei der Wiederherstellung der deutschen Verwaltung in diesen Gebieten wünschen, so könnte diese Frage erörtert werden.
Stalin:
Unsere Konzeption, die Konzeption der Russen bei der Einnahme von gegnerischem Territorium im Kriege, besteht in folgendem: Die Armee kämpft, sie geht vorwärts und sorgt sich nur darum, die Schlacht zu gewinnen. Doch damit die Armee vorrücken kann, braucht sie ein ruhiges Hinterland. Sie kann nicht mit dem Feind gleichzeitig an der Front und im Hinterland kämpfen. Die Armee kämpft gut, wenn das Hinterland ruhig ist, wenn das Hinterland mit ihr sympathisiert und sie unterstützt. Stellen Sie sich die Situation vor, dass die deutsche Bevölkerung entweder ihren zurückweichenden Truppen fluchtartig folgt oder unseren Truppen in den Rücken schießt. Und die polnische Bevölkerung folgt unseren Truppen auf dem Fuße. Bei einer solchen Lage ist es ganz natürlich, dass die Armee bestrebt ist, im Hinterland eine Verwaltung zu haben, die mit ihr sympathisiert und sie unterstützt. Das ist alles.
Truman:
Das verstehe ich und teile Ihre Gefühle.
Stalin:
Es gibt keinen anderen Ausweg. Das bedeutet natürlich nicht, dass ich selbst die Grenzen festlege. Wenn Sie die von der polnischen Regierung vorgeschlagene Linie nicht billigen, so bleibt die Frage offen. Das ist alles.
Churchill:
Aber kann man die Frage ohne Entscheidung lassen?
Stalin:
Irgendwann wird man sie entscheiden müssen.
Churchill:
Es steht noch die Frage der Lieferungen. Die Frage der Lebensmittellieferungen ist eine sehr wichtige Frage, weil dies die wichtigsten Gebiete für die Lebensmittelversorgung der deutschen Bevölkerung sind.
Stalin:
Aber wer wird dort arbeiten, Getreide produzieren? Außer den Polen ist niemand da zum Arbeiten.
Truman:
Wir können eine Einigung erzielen. Ich denke, dass der Kern der Frage, die vor uns steht und uns bewegt, darin liegt, welche Verwaltung es in diesen Gebieten geben wird. Uns interessiert auch die Frage, ob diese Gebiete während der Besatzungszeit ein Teil Deutschlands oder Polens sein werden. Das Problem besteht in folgendem: Wir haben eine Besatzungszone, die Franzosen haben eine Besatzungszone, eine Besatzungszone hat auch England und die Sowjetunion. Ich möchte wissen, ob die Gebiete, von denen jetzt die Rede ist, zur sowjetischen Besatzungszone gehören. Ich denke, dass wir zu gegebener Zeit ein Abkommen über die künftigen Grenzen Polens erzielen können, aber jetzt interessiert mich die Frage dieser Gebiete für die Zeit der Besetzung.
Stalin:
Auf dem Papier sind es zur Zeit noch deutsche Gebiete. In Wirklichkeit, de facto, sind es polnische Gebiete.
Truman:
Was ist mit der örtlichen Bevölkerung geschehen? Sie zählt dort allem Anschein nach an die drei Millionen.
Stalin:
Die Bevölkerung ist weggegangen.
Churchill:
Wenn das so ist, so werden sie sich folglich in den Gebieten ernähren, in die sie gegangen sind, wenn diese Gebiete, die von Deutschen verlassen wurden, Deutschland nicht übergeben und Deutschland nicht zur Verfügung stehen werden. Ich sehe das so, dass nach dem Plan der polnischen Regierung, der, soweit ich verstanden habe, von der sowjetischen Regierung unterstützt wird, ein Viertel der Nutzfläche Deutschlands von 1937 von diesem losgerissen wird.
Was die Bevölkerung betrifft, so stellt sich heraus, dass drei oder vier Millionen Polen aus dem Osten in die Westgebiete umgesiedelt werden. Die Vorkriegsbevölkerung Deutschlands betrug in diesen Gebieten nach russischen Angaben achtundeinviertel Millionen, das heißt, dass außer den ernsten Schwierigkeiten, die mit der Umsiedlung einer so großen Zahl von Menschen verbunden sind, eine unvergleichlich große Last den anderen Teilen Deutschlands aufgebürdet und das Lebensmittelproblem dennoch nicht gelöst wird.
Truman:
Wenn Frankreich Lust bekommt, das Saargebiet und das Ruhrgebiet zu erhalten, und wenn wir Frankreich das Saargebiet und das Ruhrgebiet geben, was bleibt dann noch von Deutschland?
Stalin:
Darüber gibt es keinen Beschluss. Aber bezüglich der Westgrenze Polens gibt es einen Beschluss - den Beschluss, dass Polen einen Gebietszuwachs im Norden und im Westen erhalten soll.
Churchill:
Noch eine Bemerkung zur Erklärung von Generalissimus Stalin, dass alle Deutschen diese Gebiete verlassen hätten. Es gibt andere Meldungen, die besagen, dass dort immerhin 2 bis 2,5 Millionen Deutsche geblieben sind. Natürlich müßte man diese Zahl prüfen.
Stalin:
Natürlich, man muss überprüfen. Wir haben die Frage der Grenze erörtert und sind jetzt bei der Frage der Lebensmittelversorgung Deutschlands angelangt. Wenn Sie diese Frage erörtern möchten, bitte, ich habe keine Einwände.
Churchill:
Es ist richtig, dass die Grenze zur Verhandlung stand und wir jetzt zur Frage der Lebensmittelversorgung Deutschlands übergegangen sind. Aber ich habe dies nur erwähnt, weil die Grenzfrage uns große Schwierigkeiten bei der Lösung einiger anderer Fragen bereiten wird.
Stalin:
Ich stimme zu, dass es gewisse Schwierigkeiten mit der Versorgung Deutschlands gibt, aber die Hauptschuldigen an diesen Schwierigkeiten sind die Deutschen selbst. Der Krieg hat dazu geführt, dass von den acht Millionen Deutschen fast niemand dort verblieben ist. Nehmen Sie Stettin; es hatte 500000 Einwohner, und als wir in Stettin einzogen, waren nur 8000 übriggeblieben.
In Ostpreußen haben sich die Deutschen so verhalten: Der größte Teil ist nach dem Westen abgezogen, in das Hinterland der eigenen Truppen, ein anderer Teil ist in das Gebiet Königsberg zu den Russen gegangen. Als wir die Zone erreichten, die als Gebietszuwachs für Polen bestimmt ist, war kein Deutscher mehr da, nur die Polen sind geblieben. So lagen die Dinge.
In der Zone zwischen Oder und Weichsel haben die Deutschen ihre Felder verlassen, die Felder werden von den Polen bestellt und abgeerntet. Die Polen werden kaum bereit sein, den Deutschen abzugeben, was sie bestellt haben. Das ist die Situation, wie sie sich in diesen Gebieten entwickelt hat.
Truman:
Ich möchte noch einmal wiederholen: Meines Erachtens sind jenen Mächten Besatzungszonen einzuräumen, über die ein Beschluss vorliegt. Ich wende mich nicht dagegen, dass die Frage der Grenzen Polens behandelt wird, aber ich meine, dass wir diese Frage hier nicht entscheiden können.
Churchill:
Wir haben zugestimmt, dass Polen auf Kosten Deutschlands für das Gebiet, das es östlich der Curzonlinie verloren hat, entschädigt wird. Jetzt verlangt Polen von uns weit mehr, als es im Osten abgibt. Ich bin nicht der Ansicht, dass dies zum Wohle Europas geschieht, von den Alliierten ganz zu schweigen. Wenn drei oder vier Millionen Polen östlich der Curzonlinie umgesiedelt werden, so könnten zwei oder drei Millionen Deutsche im Westen umgesiedelt werden, um für die Polen Platz zu schaffen. Aber die Umsiedlung von acht Millionen Menschen, das ist eine Sache, die ich nicht unterstützen kann. Die Entschädigung soll dem Verlust entsprechen. Anders wäre es auch für Polen selbst nicht gut. Wenn die Deutschen, wie Generalissimus Stalin gesagt hat, die Gebiete östlich und westlich der Oder verlassen haben, so sollte man auf sie einwirken, wieder dorthin zurückzukehren.
Jedenfalls sind die Polen nicht berechtigt, eine katastrophale Lage in der Lebensmittelversorgung der deutschen Bevölkerung zu schaffen. Ich möchte diesen Gesichtspunkt noch einmal unterstreichen. Ich möchte, dass der Generalissimus unseren Schwierigkeiten ebensoviel Verständnis entgegenbringt wie, so hoffe ich, wir den seinen.
Wir wünschen nicht, dass eine zahlenmäßig gewaltige deutsche Bevölkerung ohne jede Nahrungsmittelquellen uns überlassen bleibt. Nehmen wir beispielsweise die gewaltige Bevölkerung im Ruhrgebiet, im Kohlenrevier. Diese Bevölkerung befindet sich in der englischen Besatzungszone. Wenn für sie nicht hinreichend Lebensmittel bereitgestellt werden, so entsteht in unserer eigenen Zone eine Lage wie in den deutschen Konzentrationslagern.
Stalin:
Dennoch, Deutschland ist ohne Getreideimporte nicht ausgekommen und wird nicht auskommen.
Churchill:
Ja, natürlich, es wird aber nicht die Möglichkeit haben, sich zu ernähren, wenn man ihm die Ostgebiete wegnimmt.
Stalin:
Sollen sie von den Polen Getreide kaufen.
Churchill:
Wir sind nicht der Ansicht, dass dieses Gebiet polnisches Gebiet ist.
Stalin:
Dort leben Polen. Sie haben die Felder bestellt. Wir können nicht von den Polen fordern, dass sie die Felder bestellen und das Getreide an die Deutschen abgeben.
Churchill:
Außerdem muss ich darauf hinweisen, dass die Bedingungen in den von den Polen besetzten Gebieten überhaupt sehr merkwürdig sind. Man teilt mir beispielsweise mit, dass die Polen schlesische Kohle an Schweden verkaufen. Sie tun dies zur gleichen Zeit, wo wir in England unter spürbarem Kohlenmangel leiden und überdies der kälteste und härteste Winter ohne Brennstoff bevorsteht. Wir gehen von dem allgemeinen Prinzip aus, dass die Lebensmittel- und Brennstoffversorgung Deutschlands in den Grenzen von 1937 nach der Bevölkerungszahl erfolgen soll, unabhängig davon, in welcher Zone sich die Lebensmittel und die Kohle befinden.
Stalin:
Aber wer wird diese Kohle fördern? Die Deutschen fördern nicht, die Polen fördern, sie arbeiten.
Churchill:
Aber sie arbeiten in Schlesien.
Stalin:
Aber dort sind alle Herren geflohen.
Churchill:
Sie sind weggegangen, weil die Kampfhandlungen sie aufgeschreckt haben, aber da der Krieg beendet ist, könnten sie zurückkehren.
Stalin:
Sie wollen nicht, und die Polen sehen das nicht gern.
Churchill:
Ich war gestern tief berührt von dem Wort des Generalissimus, als er davon sprach, dass es nicht am Platze wäre, sich bei der Behandlung der Probleme der Gegenwart und der Zukunft von Gefühlen der Rache leiten zu lassen. Ich meine deshalb, dass meine heutigen Gedanken bei ihm Verständnis finden müßten, da es ungerecht wäre, eine so gewaltige Zahl Deutscher zu uns zu schicken, während die Polen allen Vorteil für sich hätten.
Stalin:
Ich spreche von den Unternehmern, die aus dem Kohlenrevier geflohen sind. Wir selbst kaufen jetzt Kohle bei den Polen, weil es bei uns in einigen Gebieten, beispielsweise im Baltikum, an Kohle mangelt.
Truman:
Offensichtlich ist es eine vollendete Tatsache, dass man Polen einen beträchtlichen Teil Deutschlands zur Besetzung übergeben hat. Was bleibt dann noch zur Reparationsentnahme? Selbst bei uns in den USA fehlt es an Kohle. Doch dessenungeachtet liefern wir in diesem Jahr 6,5 Millionen Tonnen Kohle nach Europa. Ich meine, dass dieser Teil Deutschlands und namentlich das Kohlenrevier sowohl im Hinblick auf die Reparationen als auch im Hinblick auf die Lebensmittelversorgung als bei Deutschland verblieben zu betrachten ist. Ich meine, dass die Polen nicht das Recht haben, sich diesen Teil Deutschlands zu nehmen. Wir erörtern jetzt die Frage der künftigen Grenzen Polens. Aber ich meine, dass wir diese Frage nicht hier entscheiden können, sie muss auf der Friedenskonferenz entschieden werden.
Stalin:
Wer wird dort Kohle fördern? Uns, den Russen, fehlen in den eigenen Betrieben Arbeitskräfte. Bei den Deutschen sind alle Arbeiter zur Armee gegangen - die Goebbelspropaganda hat ihr Ziel erreicht. Es bleibt die Möglichkeit, entweder die gesamte Produktion einzustellen oder die Angelegenheit den Polen zu übergeben. Einen anderen Ausweg gibt es nicht. Was die Kohle betrifft, so muss ich sagen, dass die Polen in den alten Grenzen ein eigenes, sehr reiches Kohlenrevier besaßen. Diesem Kohlenrevier wurde das Kohlenrevier Schlesien angeschlossen, das den Deutschen gehört hat. Dort arbeiten Polen. Wir können nicht die von den Polen geförderte Kohle nehmen.
Churchill:
In den Gruben in Schlesien arbeiten, wenn ich recht verstehe, polnische Arbeiter. Es ist nichts dagegen einzuwenden, dass diese Gruben im Auftrag der Sowjetregierung in der sowjetischen Besatzungszone arbeiten, nicht aber der polnischen Regierung in einer Zone, die Polen nicht zur Besetzung übergeben wurde.
Stalin:
Das würde insgesamt die Beziehungen zwischen zwei befreundeten Staaten stören. Darüber hinaus bitte ich Herrn Churchill zu bedenken, dass den Deutschen selbst Arbeitskräfte fehlen. Die meisten Betriebe, auf die wir während des Vormarsches stießen, wurden von ausländischen Arbeitern bedient, von Italienern, Bulgaren, Franzosen, Russen, Ukrainern und anderen. Das waren alles Arbeiter, die von den Deutschen zwangsweise aus ihrer Heimat weggetrieben wurden. Als die russischen Truppen in diese Gebiete kamen, werteten das die ausländischen Arbeiter als Befreiung und fuhren nach Hause. Wo sind die deutschen Arbeiter? Sie wurden zum größten Teil zur deutschen Armee eingezogen und während des Krieges entweder getötet oder gefangengenommen.
Es entstand eine Situation, wo die große deutsche Industrie mit einer geringen Zahl deutscher Arbeiter und zahlreichen ausländischen Arbeitern funktionierte. Als diese ausländischen Arbeiter befreit wurden, gingen sie weg, und die Betriebe standen ohne Arbeiter da. Jetzt ist die Lage so, dass man diese Betriebe entweder schließen oder der einheimischen Bevölkerung, das heißt den Polen, die Möglichkeit geben muss, dort zu arbeiten. Man kann die Polen jetzt nicht vertreiben. Die Lage hat sich spontan so entwickelt. Dafür kann man niemandem die Schuld geben.
Attlee:
Ich möchte einige Worte zur gegenwärtigen Situation vom Standpunkt der Besatzungsmächte in Deutschland sagen. Wenn wir von der Frage der endgültigen Grenze zwischen Polen und Deutschland absehen, so sehen wir vor uns ein Land, in dem Chaos herrscht und das früher eine wirtschaftliche Einheit darstellte. Wir haben ein Land vor uns, das in der Lebensmittel- und zum Teil in der Kohlenversorgung von seinen Ostgebieten abhängig war, die teilweise von Polen bewohnt wurden. Meines Erachtens müssen die Hilfsquellen ganz Deutschlands von 1937 zum Unterhalt und zur Versorgung der gesamten deutschen Bevölkerung genutzt werden, und wenn ein Teil Deutschlands vorher abgetrennt wird, so schafft das große Schwierigkeiten für die Besatzungsmächte in der westlichen und südlichen Zone.
Wenn Arbeitskräfte für die Ostgebiete benötigt werden, so müssen sie unter der Bevölkerung im übrigen Deutschland gefunden werden, unter dem Teil der deutschen Bevölkerung, der demobilisiert oder aus der Arbeit in der Rüstungsindustrie freigesetzt ist. Und diese Arbeitskräfte müssen dort eingesetzt werden, wo sie den größten Nutzen bringen können, damit die Alliierten in den kommenden Monaten nicht in eine schwierige Lage geraten.
Stalin:
Vielleicht nimmt Herr Attlee zur Kenntnis, dass Polen ebenfalls unter den Kriegsfolgen zu leiden hat und ebenfalls ein Verbündeter ist.
Attlee:
Ja, aber es bekommt Vorteile.
Stalin:
Gegenüber Deutschland. So soll es auch sein.
Attlee:
Nein, gegenüber den anderen Alliierten.
Stalin:
Das ist bei weitem nicht so.
Truman:
Ich möchte offen sagen, was ich zu dieser Frage denke. Ich kann nicht zustimmen, dass Deutschland in den Grenzen von 1937 der östliche Teil weggenommen wird, und zwar im Hinblick auf die Lösung der Frage der Reparationen sowie der Lebensmittel- und Kohlenversorgung der gesamten deutschen Bevölkerung.
Churchill:
Wir haben diese Frage noch nicht abgeschlossen. Daneben haben wir natürlich auch angenehmere Fragen. (Heiterkeit)
Truman:
Ich schlage vor, die Sitzung jetzt zu schließen; vielleicht denken wir über diese Frage nach. Damit bin ich einverstanden.
Stalin:
Das kann man, ich bin damit auch einverstanden.
Truman:
Morgen ist die Sitzung um fünf Uhr.

Quellen und weiterführende Hinweise

  • Teheran, Jalta, Potsdam. Dokumentensammlung, Moskau 1967, S. 156ff. (Übersetzung: Dr. Eduard Ullmann, Berlin). In: Historische Gedenkstätte des Potsdamer Abkommens, Cecilienhof, Potsdam (Hg.), Das Potsdamer Abkommen. Dokumentensammlung, Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin, 1984, S. 39 - 48.
  • United States Department of State / Foreign Relations of the United States: diplomatic papers, the Conference of Berlin (the Potsdam Conference), 1945 - Volume II, U.S. Government Printing Office, 1945 [zitiert: FRUS, Potsdam Conference]
  • Office of the Historian / Foreign relations of the United States, diplomatic papers, the Conference of Berlin (the Potsdam Conference), 1945 - Volume II, Washington, 1960