Plenarsitzungen
Zweite Phase vom 26. Juli bis 2. August 1945
Mit dem am 5. Juli 1945 frisch gewählten englischen Premierminister Clement Richard Attlee und seinem Außenminister Ernest Bevin begann am 26. Juli ein neuer Abschnitt in der Potsdamer Konferenz. D. h. eigentlich trafen die beiden erst am 28. Juli gegen Abend in Potsdam ein.
Churchill war eine Autorität als Person, auch wenn die britische Weltmachtposition längst im Niedergang begriffen war. Attlee konnte Churchill daher - bei allem guten Willen - nicht adäquat ersetzen. Seine Rolle reichte kaum über bloße Anwesenheit hinaus.Görtemaker, Potsdamer Konferenz, 86.
Der Abgang Churchills stellte somit eine Schwächung der englischen Delegation und des englischen Standpunktes dar. Churchill hatte noch bei seinem letzten Konferenztag am 25. Juli 1945 die Frage der polnischen Westgrenze zu einer "Kernfrage des Gelingens der gesamten Konferenz" erklärt.
Zunächst widersetzte auch US-Präsident Truman sich dem Ansinnen Stalins. Er könne nicht zustimmen, dass Deutschland in den Grenzen von 1937 der östliche Teil weggenommen wird... betonte Truman bereits auf der Sitzung am 21. Juli.
Die Westalliierten bissen jedoch mit der "polnischen Frage" bei Stalin auf Granit und so schoben sie sie ständig vor sich her. Bis zum Konferenzende wurde über die polnische Westgrenze diskutiert. Da die USA es nicht zu einem Bruch mit den Sowjets kommen lassen wollten, verfochten sie schließlich ihren Standpunkt gegenüber Stalin und Polen nicht mehr mit der gleichen Entschlossenheit, wie es Churchill getan hatte.
Prof. Görtemaker spricht hier von einer erklärten Absicht der Alliierten, die polnische Westgrenze anzuerkennen, wobei auch er hinzufügt, dass...
...eine derartige Grenzregelung nicht in einer Protokollnotiz, sondern nur in einem völkerrechtlich gültigen Vertrag vorgenommen werden durfte.Görtemaker, Potsdamer Konferenz, 90.
Trotz anfänglichen Widerständen kam es schließlich zu dem bekannten "Artikel XIII" der Potsdamer Deklaration über den "geordneten und humanen Transfer" der Deutschen, die "in Polen, der Tschechoslowakei und Ungarn zurückgeblieben sind".
Aufschlussreich dazu ist eine Erinnerung von Sir Denis Allen, Mitglied der britischen Delegation bei der Potsdamer Konferenz:
Wir waren uns damals dessen bewusst - und zu einem heute nur schwer nachvollziehenden Grad -, dass wir zu wenig Informationen über das Geschehen in Osteuropa hatten und dass wir kaum etwas tun konnten, um den Gang der Dinge dort zu beeinflussen. [...] Es herrschte die Auffassung, dass wir unsere Sorgen über das Geschehen im Osten, das wir sowieso nicht ändern konnten, nicht zu nachdrücklich vertreten sollten, wenn dies den Kontrollrat und die Vereinten Nationen gerade in der Geburtsphase beeinträchtigen könnte. Wenn unsere Hoffnungen enttäuscht werden sollten, sollten nicht wir, sondern die Russen die Verantwortung dafür tragen.Sir Denis Allen in einem Brief vom 15. März 1977 an Dr. de Zayas (zitiert nach De Zayas, Vertriebene, S. 142ff).
Prof. Dr. de Zayas schreibt, dass dieser Artikel XIII weder eine Anregung zur Vertreibung noch eine pauschale Zustimmung dazu seitens der (West-) Alliierten darstellte. Die polnischen und tschechischen Regierungen hätten diesen Artikel bewusst manipuliert bzw. falsch ausgelegt. - Im Gegensatz dazu unterstreicht Dr. de Zayas, dass dieser Artikel, die (wilden) Vertreibungen zunächst stoppen und unter die Beobachtung des Alliierten Kontrollrates in Berlin stellen wollte. Diese Sichtweise entspricht auch ganz dem Wortlaut des Artikels XIII.
Aber das Moratorium wurde missachtet. Die Vertreibungen liefen weiter - so wie sie vor und während der Konferenz selbst weitergelaufen waren.De Zayas, Vertriebene, S. 146.
Nach Absicht der Konferenzteilnehmer sollte die "Potsdamer Konferenz" nicht das letzte Gipfeltreffen der "Großen Drei" sein.
Der Kalte Krieg, mit dem auch bereits geschaffene Fakten weiter zementiert wurden, verhinderten allerdings die geplante Friedenskonferenz, auf der noch abschließend u. a. die offene Frage der Westgrenze Polens geklärt werden sollte.
Erst ein Jahrzehnt später, im Juli 1955, trafen die Regierungschefs erneut zusammen, diesmal in Genf und mit Beteiligung Frankreichs. Von den Staatsmännern, die in Potsdam die Verhandlungen geführt hatten, war zu diesem Zeitpunkt jedoch niemand mehr im Amt. Eine neue Ära der Weltpolitik hatte begonnen.Görtemaker, Potsdamer Konferenz, 88.
Quellen und weiterführende Hinweise
- Friebe, Georg: Deutschlands Osten und sein östlicher Nachbar. Beiträge zur Geschichte und Zeitgeschichte Ostdeutschlands, Polens und der deutsch-polnischen Beziehungen, Eigenverlag, 2004. [zitiert: Georg Friebe]
- Görtemaker, Manfred: Die Potsdamer Konferenz, in: SPSG u. Chronos-Film (Hg.), Schloss Cecilienhof und die Potsdamer Konferenz. Von der Hohenzollernwohnung zur Gedenkstätte, Chronos-Verlag, Berlin - Kleinmachnow - Potsdam, 1995. [zitiert: Görtemaker, Potsdamer Konferenz]
- Zayas, Alfred Maurice de Die Deutschen Vertriebenen. Keine Täter, sondern Opfer. Hintergründe, Tatsachen, Folgen, Ares-Verlag, Graz, 2006, S. 137-147. [zitiert: De Zayas, Vertriebene]