Abkommen zwischen den polnischen Bischöfen und der polnischen Regierung vom 14. April 1950
Das Abkommen zwischen den polnischen Bischöfen und der Polnischen Regierung, das am 14. April 1950 abgeschlossen wurde, hat folgenden Wortlaut:
I.
In der Absicht, der Nation, Volkspolen und seinen Bürgern, die besten Entwicklungsbedingungen und die Möglichkeiten allseitiger und ruhiger Arbeit zu sichern, regeln die polnische Regierung, die auf dem Standpunkt einer Achtung der Religionsfreiheit steht, und der polnische Episkopat, der das Wohl der Kirche und das gegenwärtige polnische Staatsinteresse vor Augen hat, ihre Beziehungen in folgender Weise:
- Der Episkopat wird die Geistlichkeit auffordern, in ihrer Seelsorgetätigkeit gemäß der Lehre der Kirche die Gläubigen über die Achtung der Gesetze und der Staatsgewalt zu belehren.
- Der Episkopat wird die Geistlichkeit auffordern, in ihrer seelsorglichen Wirksamkeit die Gläubigen zu verstärkter Arbeit für den Aufbau des Landes und die Hebung des Wohlstandes der Nation zu ermuntern.
- Der polnische Episkopat stellt fest, dass ebenso ökonomische, historische, kulturelle und religiöse Rechte wie auch die geschichtliche Gerechtigkeit es erfordern, dass die neugewonnenen Gebiete für immer zu Polen gehören. Ausgehend von der Voraussetzung, dass die neugewonnenen Gebiete einen unabtrennbaren Teil des polnischen Staates bilden, wird sich der Episkopat an den Heiligen Stuhl wenden mit der Bitte, dass die kirchlichen Administraturen, deren Verwalter die Rechte von residierenden Bischöfen innehaben, in ordentliche bischöfliche Ordinariate umgewandelt werden.
- Der Episkopat wird sich im Rahmen seiner Möglichkeiten der polenfeindlichen Tätigkeit entgegenstellen, namentlich dem antipolnischen und revisionistischen Auftreten eines Teiles der deutschen Geistlichkeit.
- Der Grundsatz, dass der Papst die maßgebliche und höchste Autorität der Kirche ist, bezieht sich auf Angelegenheiten des Glaubens, der Moral und der kirchlichen Jurisdiktion. In anderen Angelegenheiten hingegen richtet sich der Episkopat nach dem polnischen Staatsinteresse.
- Ausgehend von dem Grundsatz, dass die Mission der Kirche innerhalb verschiedener sozial-wirtschaftlicher Systeme, die durch die weltliche Gewalt eingerichtet werden, verwirklicht werden kann, macht der Episkopat der Geistlichkeit klar, dass sie sich nicht dem Ausbau der Vergenossenschaftung auf dem Lande entgegenstellen möge, da alle Vergenossenschaftung in ihrem Wesen sich auf eine ethische Voraussetzung der menschlichen Natur gründet, die nach einer freiwilligen sozialen Solidarität strebt, welche das Wohl des Ganzen zum Ziele hat.
- Im Einklang mit ihren Grundsätzen wird die Kirche, die alle staatsfeindlichen Bestrebungen verurteilt, sich besonders dem Missbrauch religiöser Gefühle zu staatsfeindlichen Zwecken entgegenstellen.
- Die katholische Kirche, welche im Einklang mit ihren Grundsätzen jedes Verbrechen verurteilt, wird ferner die verbrecherische Tätigkeit der Untergrundbanden bekämpfen und wird Geistliche, die der Teilnahme an irgendwelchen Untergrund- oder staatsfeindlichen Aktionen schuldig sind, zur Verantwortung ziehen und kanonisch bestrafen.
- Im Einklang mit der Lehre der Kirche wird der Episkopat alle Bemühungen zu einer Befestigung des Friedens unterstützen und im Rahmen seiner Möglichkeiten allen Bestrebungen, einen Krieg hervorzurufen, entgegentreten.
- Der Religionsunterricht in den Schulen:
- Die Regierung hat nicht die Absicht, den jetzigen Stand des Religionsunterrichtes in den Schulen einzuschränken: die Lehrpläne des Religionsunterrichtes werden durch die Schulbehörden gemeinsam mit Vertretern des Episkopates aufgestellt; die weltlichen und geistlichen Religionslehrer werden in gleicher Art behandelt wie die Lehrer anderer Fächer; die Schulbehörden werden Visitatoren für den Religionsunterricht im Einvernehmen mit dem Episkopat berufen.
- Die Behörden werden Schülern für ihre Teilnahme an religiösen Übungen außerhalb der Schule keine Hindernisse in den Weg legen.
- Die derzeit bestehenden Schulen katholischen Charakters werden erhalten bleiben, doch wird die Regierung darüber wachen, dass die Schulen loyal die Anordnungen ausführen und den durch die Staatsbehörden aufgestellten Lehrplan erfüllen.
- Die durch die katholische Kirche unterhaltenen Schulen können unter Bedingungen, die durch die zuständigen Stellen und Einrichtungen der Schulbehörden festgesetzt werden, die Rechte staatlicher Schulen genießen.
- Im Falle der Errichtung oder Umgestaltung einer gewöhnlichen Schule in eine Schule ohne Religionsunterricht werden die katholischen Eltern, die dieses wünschen, das Recht und die Möglichkeit haben, die Kinder in Schulen mit Religionsunterricht zu schicken.
- Die Katholische Universität in Lublin wird ihre Tätigkeit im jetzigen Umfang fortsetzen können.
- Die katholischen Vereine werden nach Erfüllung der Erfordernisse, die im Dekret über Vereine vorgesehen sind, ihre bisherigen Rechte genießen. Die gleichen Grundsätze gelten auch für die Marianischen Sodalitäten.
- Die Kirche wird Recht und Möglichkeit haben, im Rahmen der geltenden Vorschriften caritative, wohltätige und katechetische Tätigkeit auszuüben.
- Die katholische Presse und die katholischen Verlage werden die Berechtigungen, welche durch die zuständigen Stellen und Einrichtungen der Behördenfestgesetzt sind, in gleicher Weise wie die anderen Verlage genießen.
- Der öffentliche Gottesdienst, die traditionellen Wallfahrten und Prozessionen werden nicht gehindert werden. Diese Umzüge werden zur Wahrung der Ordnung durch die Kirchenbehörden mit den Verwaltungsbehörden vereinbart.
- Die Heeresseelsorge wird durch ein besonderes Statut geregelt, das durch die Militärbehörden im Einvernehmen mit den Vertretern des Episkopates ausgearbeitet wird.
- In den Strafgefängnissen werden die religiöse Fürsorge Geistliche ausüben, die auf Antrag des bischöflichen Ordinarius von den zuständigen Behörden berufen werden.
- In den Spitälern des Staates und der Selbstverwaltung werden die religiöse Betreuung der Kranken, die eine solche wünschen, Spitalgeistliche ausüben, die auf Grund von Sondervereinbarungen besoldet werden.
- Orden und Ordenskongregationen werden im Rahmen ihrer Berufung und der geltenden Gesetze völlige Handlungsfreiheit haben.
II.
Protokoll der gemeinsamen Kommission der Regierung Polens und des Episkopates im Zusammenhang mit der abgeschlossenen Vereinbarung.
- Angesichts des Ausgleichs der Standpunkte zwischen den Vertretern der Regierung Polens und des polnischen Episkopates in der Angelegenheit der Tätigkeit der CARITAS und in der Absicht, die Beziehungen zwischen Staat und Kirche zu normalisieren, wird die kirchliche Organisation CARITAS in eine Vereinigung von Katholiken umgewandelt, um Armen und Bedürftigen Hilfe zu bieten. Die Vereinigung stützt ihre Tätigkeit auf Untergliederungen. die der administrativ-territorialen Einteilung des Landes entsprechen. Der Episkopat gestattet im Sinne der caritativen Aufgaben der Vereinigung, im Einklang mit den Grundsätzen und der Praxis der katholischen Kirche, den Geistlichen, die in dieser Vereinigung arbeiten wollen, die Teilnahme.
- Die Regierung Polens wird bei der Durchführung des Gesetzes »über die Übernahme der Güter der toten Hand durch den Staat« im Rahmen der Artikel 2, Punkt 3 und Artikel 7 Punkt 1 des Gesetzes die Bedürfnisse der Bischöfe und der kirchlichen Institutionen prüfen, um sie zu berücksichtigen und ihnen zu helfen.
- Der Kirchenfonds wird entsprechende Summen den Ordinarien der Diözesen zur Verfügung überweisen.
- Bei der Durchführung des Gesetzes über den Militärdienst werden die Militärbehörden für die Alumnen der geistlichen Seminare Aufschub gewähren, um ihnen die Beendigung der Studien zu ermöglichen; Priester aber nach ihrer Weihe und Ordensleute nach der Ablegung ihrer Gelübde werden nicht zum aktiven Militärdienst einberufen, sondern werden in die Reserve überführt, in welcher Eigenschaft sie für Hilfsdienste herangezogen werden können.
Quellen und weiterführende Hinweise
"Herder-Korrespondenz" vom 14. April 1950, 4. Jg. 1949/50, S. 412 - 414. Zitiert nach: Pierre Lenert: Die Wahrheit über die katholische Kirche in Polen, Morus-Verlag, Berlin 1962. S. 131 – 134.
Titel der französischen Originalausgabe: L’Eglise Catholique en Pologne.