Rede von Dr. Jose Ayala Lasso, UN-Hochkommissar für Menschenrechte a. D. am 6. August 2005 in Berlin

Dr. Jose Ayala Lasso war der erste Hochkommissar für Menschenrechte der Vereinten Nationen (1994/97). Er war Außenminister von Ecuador, sowie Botschafter in Frankreich, Belgien, Luxemburg, im Pakistan und Peru. Als Hochkommissar wurde er dafür bekannt, dass er sich für alle Opfer von Menschenrechtsverletzungen einsetzte, und dass er sich gegen die Diskriminierung von Opfern aussprach, denn für ihn haben alle Opfer dieselbe Menschenwürde, auch die deutschen Opfer von Flucht und Vertreibung. Am 28. Mai 1995, als er in Ruanda war, wurde sein Grußwort an die Vertriebenen in der Paulskirche zu Frankfurt vorgelesen. Am 6. August 2005 sprach er persönlich an die Vertriebenen anlässlich der Veranstaltung 60 Jahre Vertreibung in Berlin.

Vor zehn Jahren hatten Sie mich aus Anlass des fünfzigsten Jahrestages des Endes des Zweiten Weltkriegs und des Beginns der Vertreibung von 15 Millionen Deutschen aus ihrer Heimat im Osten eingeladen, an der Gedenkfeier am 28. Mai 1995 in der Frankfurter Paulskirche teilzunehmen.

Zu jenem Zeitpunkt konnte ich leider nicht selbst kommen, da meine Aufgaben als Hochkommissar für Menschenrechte meine Anwesenheit in Ruanda erforderten; dennoch habe ich Ihnen damals ein Grußwort gesandt, das, wie mir berichtet wurde, in deutscher Übersetzung verlesen wurde und später durch den berühmten, leider verstorbenen Professor Dieter Blumenwitz veröffentlicht wurde.

In diesem Grußwort erinnerte ich an die Resolutionen der Unterkommission der Vereinten Nationen zur Förderung und zum Schutz der Menschenrechte, darunter insbesondere an das Recht auf ein Leben in der eigenen Heimat und das Recht auf Rückkehr in die Heimat in Sicherheit und Würde.

Wir alle erinnern uns, dass der Krieg im ehemaligen Jugoslawien 1995 Hunderttausende zu Flüchtlingen gemacht hatte - das Ergebnis einer als "ethnische Säuberung" bekannt gewordenen Politik. Auch wenn dieser Begriff neu geprägt wurde, benennt er doch eine alte und besonders grausame staatliche Praxis, die Zivilbevölkerung zu terrorisieren und Männer, Frauen und Kinder zu zwingen, ihre Häuser zu verlassen und ins Unbekannte zu fliehen.

Der Krieg in Jugoslawien ist nun beendet, dennoch scheint die Welt keineswegs sicherer geworden zu sein, und noch immer sind Menschen den Grausamkeiten ungerechter Kriege und ungerechter Friedenslösungen ausgesetzt.
Einer meiner Nachfolger als Hochkommissar für Menschenrechte, Sergio Vieira de Mello, musste sein Leben lassen im Kampf für eine bessere Welt. Er starb als Vertreter des UNO-Generalsekretärs im August 2003 in Bagdad beim schlimmsten Angriff, dem die Vereinten Nationen jemals ausgesetzt waren. Ich verneige mich vor seinem Andenken.

Ich bin überzeugt, dass die Vereinten Nationen und insbesondere das Amt des Hochkommissars für Menschenrechte, das derzeit unter der fähigen Führung von Richterin Louise Arbour steht, beharrlich an der viel Geduld erfordernden Aufgabe weiterarbeiten werden, eine universale Kultur der Menschenrechte aufzubauen. In den vergangenen sechzig Jahren haben die Vereinten Nationen Großes geleistet beim Kodifizieren von Normen. Es wurden Fachorgane eingerichtet, welche die Einhaltung dieser Normen überwachen. Es wurden Verfahren entwickelt, die es Einzelpersonen ermöglichen, ihre Rechte vor diesen Organen einzuklagen. Die Zivilgesellschaften und Nichtregierungsorganisationen haben aktiv Beiträge hierzu geleistet und nehmen weiterhin an diesem Prozess teil. All diese rechtlichen Errungenschaften sind wichtig, aber der Erfolg des Systems der Menschenrechte hängt in großem Maße vom Engagement der Zivilgesellschaft und der Entwicklung nationaler Institutionen und Infrastrukturen für die Menschenrechtsarbeit ab.

Derzeit nimmt uns die übergeordnete Aufgabe der Reformierung und Modernisierung des Systems der Vereinten Nationen stark in Anspruch. Eine der wesentlichen Säulen dieser Reform ist die Stärkung der Menschenrechtskommission. Erst vor kurzem hat der Generalsekretär der Vereinten Nationen darauf hingewiesen, dass die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte weiterhin eine der wichtigsten Errungenschaften der Weltorganisation ist. Überall bildet sich eine neue Auffassung von kollektiver Sicherheit heraus, und jeder erkennt den Zusammenhang zwischen Armut und Unsicherheit, Achtung der Menschenrechte und Frieden. Aus diesen Gründen hat die von Kofi Annan eingerichtete Expertengruppe, deren Aufgabe die Erarbeitung von Vorschlägen zur Bewältigung der Herausforderungen des neuen Millenniums ist, in ihrem Bericht an den UNO-Generalsekretär die Empfehlung ausgesprochen, die Menschenrechtskommission zu reformieren und einen Menschenrechtsrat mit universeller Mitgliedschaft einzurichten, der die Gesamtverantwortung für die Förderung und den Schutz aller Menschenrechte trägt.

Meiner Auffassung nach unterstreichen die ernsten Probleme in Bezug auf Demokratie, Entwicklung, Regierbarkeit, die kollektive Sicherheit, den Kampf gegen den Terrorismus und die internationalen Beziehungen die Notwendigkeit, die Menschenrechte besser als bisher zu fördern und zu schützen. Wenn wir wirklich eine neue internationale Ordnung schaffen wollen, müssen wir anerkennen, dass es dringend und unabdingbar ist, den Vorrang der Menschenrechte ganz neu in das Bewusstsein zu rücken. Ein neuer Humanismus muss sich herausbilden, und wir alle sind aufgerufen, einzeln und gemeinsam unseren Beitrag für die Grundlagen dieser neuen Ära zu leisten.
Für uns alle bleibt die Verwirklichung der Menschenrechte eine große Herausforderung, da die Durchsetzung der Normen vom politischen Willen der Staaten abhängt. Es gibt keine edlere Aufgabe, als für die Verwirklichung aller Menschenrechte zu arbeiten.

Von den kollektiven Rechten ist für uns natürlich das Recht auf Selbstbestimmung von besonderer Bedeutung. Bei der Entkolonialisierung in Asien und Afrika und der Abschaffung der Apartheid spielten die Vereinten Nationen eine wichtige Rolle. Andere kollektive Rechte einschließlich der Rechte von Minderheiten und des Rechts auf die eigene Heimat sind noch nicht vollständig umgesetzt. Das Recht auf die eigene Heimat ist allerdings nicht nur ein kollektives, sondern auch ein individuelles Recht und eine Grundvoraussetzung für die Ausübung zahlreicher bürgerlicher, politischer, wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Rechten.

Während meiner Amtszeit als Hochkommissar für Menschenrechte hat die Unterkommission zur Förderung und zum Schutz der Menschenrechte eine wichtige Studie zur "Dimension der Menschenrechte bei Bevölkerungsumsiedlungen" erarbeitet. Zur Diskussion dieser Studie wurde in Genf eine Expertenkonferenz unter Vorsitz des Berichterstatters der Unterkommission, Awn Shawkat Al Khasawneh, der heute Richter beim Internationalen Strafgerichtshof ist, abgehalten. Im Abschlussbericht der Unterkommission (E/CN.4/Sub.2/1997/23) zog Richter Al Khasawneh die Schlussfolgerung, dass das Recht auf die eigene Heimat ein grundlegendes Menschrecht ist und dass Staaten nicht das Recht haben, Menschen gewaltsam aus ihrer Heimat zu vertreiben. In der dem Bericht angefügten Erklärung heißt es (Art. 4, Abs. 1): "Jeder Mensch hat das Recht, in Frieden, Sicherheit und Würde in seiner Wohnstätte, in seiner Heimat und in seinem Land zu verbleiben." Und weiter (Art. 8): "Jeder Mensch hat das Recht, in freier Entscheidung und in Sicherheit und Würde in das Land seiner Herkunft sowie innerhalb dessen an den Ort seiner Herkunft oder Wahl zurückzukehren."

Auch wenn wir noch weit von der Erreichung dieser Ziele entfernt sind, auch wenn es in der Welt von heute Millionen von Heimatlosen gibt, ist es doch wichtig, diese Grundprinzipien zu bekräftigen und nach Mitteln und Wegen für ihre Umsetzung zu suchen. Aus diesem Grunde unterstütze ich auch die Idee, ein internationales Zentrum zum Kampf gegen Bevölkerungsumsiedlungen einzurichten, dessen Aufgabe nicht nur das Dokumentieren und Erforschen von Vertreibungen in der Vergangenheit sein soll, sondern das sich ebenfalls zum Ziel setzt, zukünftige Vertreibungen überall auf der Welt zu verhindern. Indem es Aufklärung betreibt und das öffentliche Bewusstsein schärft für die Schrecken, die durch gewaltsame Bevölkerungsumsiedlungen entstehen. Indem es Frühwarnstrategien entwickelt und die Maßnahmen der Vereinten Nationen auf diesem Gebiet unterstützt. Ich bin überzeugt, dass Berlin ein geeigneter Ort für solch ein Zentrum wäre.

Ich glaube, dass wir aus dem Beispiel der deutschen Vertriebenen besonders viel lernen können. Wenn wir uns des Umfangs der Vertreibung und der Trauer über den Verlust von Gebieten bewusst werden, die für Menschen wie Immanuel Kant, Arthur Schopenhauer, Johann Gottfried Herder, Joseph von Eichendorff und andere Heimat waren, dann müssen wir gleichzeitig anerkennen, dass die Vertriebenen erhebliche Opfer gebracht haben, indem sie den Weg der friedlichen Integration wählten. Wir können nicht umhin, die moralische Stärke dieser Menschen und die Klugheit ihrer Führung zu bewundern, die jeglicher Art von Gewalt eine Absage erteilten und sich entschlossen, sich eine neue Heimat im Westen aufzubauen, ohne dabei die Liebe zu ihren Wurzeln aufzugeben, zu den Landschaften, in denen sie aufgewachsen sind, zu den Kirchen und Gotteshäusern, in denen sie beteten, zu den Friedhöfen, auf denen ihre Vorfahren begraben sind.

Ich möchte die heutige Gelegenheit nutzen, um an die "Charta der Vertriebenen" zu erinnern, die am 5. August 1950 in Stuttgart verkündet wurde. In dieser wichtigen Charta entsagen die Opfer der Vertreibung in aller Form "jeglichem Gedanken an Rache und Vergeltung. Dieser Entschluss ist uns ernst und heilig im Gedenken an das unendliche Leid, welches im Besonderen das letzte Jahrzehnt über die Menschheit gebracht hat." Mit diesem Gewaltverzicht wurde der Teufelskreis aus Vergeltung und Gegenvergeltung durchbrochen. Darüber hinaus verpflichtete die Charta die Vertriebenen, für den Wiederaufbau Deutschlands und Europas, das eines Tages vereint sein sollte, zu arbeiten. Dies ist in der Tat ein bemerkenswertes Dokument.

Im Amt des Hochkommissars für Flüchtlinge wird häufig eine Zeile aus dem Chor von Euripides' Medea zitiert: "Es gibt kein größ'res Leid auf Erden als den Verlust des Heimatlands."
Als ehemaliger Hochkommissar für Menschenrechte würde ich hinzufügen, dass wir verpflichtet sind, diese Leiden zu mildern, Mitgefühl zu zeigen mit den Opfern von Vertreibung, sie bei der Bewahrung ihrer Kultur und Identität zu unterstützen, ihnen Hilfe zukommen zu lassen und, wenn möglich, die friedliche Rückkehr in ihr Heimatland zu ermöglichen. Das Recht auf das eigenen Heimatland ist, wie ich 1995 sagte, ein grundlegendes Menschenrecht, und die gesamte Weltgemeinschaft ist aufgerufen, dieses Recht zu achten. Wenn Menschen zum Verlassen ihrer Heimat gezwungen wurden, sollte ihnen die Möglichkeit gegeben werden zurückzukehren.

Allerdings kann es, das muss auch gesagt werden, einander entgegenstehende Ansprüche auf dieselbe Heimat geben. Mit gutem Willen und internationaler Hilfe lassen sich solche Konflikte aber friedlich lösen, so dass alle, die ihre Wurzeln lieben, das Recht auf Heimat genießen können. Die Liebe zur Heimat ist in der Tat ein positiver Wert. Nur wer seine Heimat liebt, arbeitet daran, sie zu verbessern, sie zu einem besseren Ort für Kinder und Enkelkinder werden zu lassen und sie einzugliedern in das höhere Konzept der Weltsolidarität.

Vor sechzig Jahren versammelten sich die Siegermächte in Berlin, um die Welt nach dem Krieg zu planen. Auf der Potsdamer Konferenz diskutierten sie nicht nur die Herausforderungen des Friedensstiftens, sondern beschäftigten sich ebenfalls mit den enormen logistischen und humanitären Problemen, die durch die Vertreibung von Millionen von Menschen verursacht wurden - Deutsche aus Ostpreußen, Pommern, Schlesien, die vor den Angriffen der sowjetischen Armee geflohen waren, und weitere Millionen, die in ihrer Heimat geblieben waren und in jenem grausamen Sommer 1945 vertrieben wurden. Wir verneigen uns vor den Opfern der Nazi-Aggression im Osten. Gleichzeitig stehen wir dem Leiden von unschuldigen Männern, Frauen und Kindern aus Ostpreußen, Pommern und Schlesien nicht blind gegenüber, die Opfer des ungerechten und unmoralischen Prinzips der kollektiven Bestrafung wurden.

Die Nürnberger Prozesse wurden 1945 auf der Grundlage des Prinzips der strafrechtlichen Verantwortung des Einzelnen geführt, um jene politischen Führer zu bestrafen, die den Angriffskrieg entfesselten und Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit befahlen. Die Verbrechen, wegen derer führende Nationalsozialisten angeklagt und verurteilt wurden, umfassten auch die verbrecherischen gewaltsamen Bevölkerungsumsiedlungen und Deportationen in die Zwangsarbeit. Die Urteile von Nürnberg wurden 1946 von der Generalversammlung bestätigt, und später wurde der Völkerrechtskommission die Aufgabe übertragen, einen Kodex der Verbrechen gegen Frieden und Sicherheit der Menschheit zu erarbeiten. In den Artikeln 18 und 20 des 1996 angenommenen Entwurfs werden Massenvertreibungen und Deportation in die Zwangsarbeit als Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit definiert. 1998 dann wurde auf der Konferenz von Rom das Statut des Internationalen Strafgerichtshofs angenommen, in dem in Artikel 7 und 8 in ähnlicher Weise das Verbrechen der Vertreibung verurteilt wird. Die Schaffung des Internationalen Strafgerichtshofs ist ein wichtiger Schritt zur Stärkung der Rechtsstaatlichkeit im Bereich der internationalen Beziehungen. Jeglichem Versuch, das Statut von Rom zu schwächen oder seine Bedeutung zu missachten, muss entschieden entgegengetreten und mit scharfer Kritik begegnet werden.

Das Internationale Strafgericht für das ehemalige Jugoslawien zieht derweil jene zur Rechenschaft, die für die Umsetzung der Politik der ethnischen Säuberungen verantwortlich sind. Auf sehr direkte Weise ist das Verfahren gegen Slobodan Milosevic ein Verfahren, in dem das Recht auf die eigene Heimat bekräftigt wird, und zwar nicht nur das Recht der Bosnier, der Kroaten und der Kosovaren auf ihre Heimat, sondern letztendlich auch das der Krajina-Serben. Zweifelsohne werden die zur Zeit in Den Haag geführten Prozesse zu wichtigen Präzedenzfällen im Völkerrecht führen.

Lassen Sie mich abschließend auf den Gedanken der Menschenrechte eingehen, einen Gedanken, der so alt ist wie die Menschheit selbst, auch wenn er dann nur sehr schrittweise in der Bibel, in den Schriften der chinesischen, indischen und griechischen Philosophen, in den Werken von Jean Jacques Rousseau und in den französischen und amerikanischen Erklärungen des achtzehnten Jahrhunderts artikuliert wurde, lange bevor sich der Völkerbund mit seinem System des Schutzes von Minderheitenrechten und die Vereinten Nationen mit ihrer Menschenrechtskommission konstituierten.
Dieser Gedanke, der uns so sehr am Herzen liegt, beruht auf der Achtung vor allen Lebewesen, auf dem Glauben an gleiche Würde und gleiche Rechte für alle Menschen, unabhängig von Hautfarbe, Herkunft, Religion und gesellschaftlichem Status. Auf dieser Grundlage entwickelten die modernen Gesellschaften die Konzepte von Solidarität und gegenseitiger Abhängigkeit. Wir können bei Verletzungen von Menschenrechten nicht gleichgültig bleiben, wo immer sie auch vorkommen. Daher müssen wir gegen Armut und Ungerechtigkeit kämpfen, und zwar überall.

Als Lateinamerikaner unterstütze ich mit allem Nachdruck die Ausübung aller Menschenrechte durch die indigenen Völker. Ein wichtiger Schritt in der langen Entwicklung des Menschenrechtskonzepts war der lang andauernde Disput innerhalb des Indienrates im Spanien des sechzehnten Jahrhunderts über die Frage, ob die indigenen Völker Amerikas als Menschen zu betrachten wären. Zwei Dominikaner, Bartolomé de las Casas und Antonio Montesinos, vertraten vor dem Habsburger Kaiser Karl V. die Auffassung, dass die indigenen Völker Menschen mit einer Seele und mit Rechten seien. Ihr entschiedenes Auftreten führte dazu, dass Gesetze zum Schutz der Rechte der indigenen Völker erlassen wurden, die ihrem Wesen nach Menschenrechtsgesetze waren. Auch wenn diese Gesetze ungestraft gebrochen wurden, so führten sie doch zu einem Bewusstsein für das, was richtig und was falsch ist.

Wir sollten uns daran erinnern, dass auch die indigenen Völker Amerikas ein Recht auf ihre Heimat hatten, dass sie gewaltsam ihrer Länder und ihres Eigentums beraubt und in sklavereiähnliche Verhältnisse gezwungen wurden. In Lateinamerika stehen wir vor der neuen Form eines alten Problems. In der Vergangenheit hat die Weltgemeinschaft Maßnahmen gegen gewaltsame Bevölkerungsumsiedlungen ergriffen. Heute erleben wir solche Umsiedlungen in Form von massenhafter Emigration, ausgelöst durch die Verschlechterung der wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen in vielen Ländern, auch in meinem Heimatland Ecuador. Mehr als 20 Prozent der Gesamtbevölkerung hat in den vergangenen drei oder vier Jahren das Land verlassen. Die Konsequenzen für das Land sind dramatisch, und diese Situation wirkt sich zweifellos auch auf die Zielländer dieser massenhaften Migrationsbewegung aus. Ich bestärke die Menschenrechtskommission darin, dieses Problem aus der neuen Perspektive der Solidarität beim Schutz von Menschenrechten zu untersuchen.

Die Förderung und der Schutz der Menschenrechte ist ein unablässiger Kampf für die Anerkennung und die Achtung der Menschenwürde. Wir können bei dieser hehren Aufgabe nicht gleichgültig bleiben. In der Vergangenheit wurden große Fortschritte durch gemeinsame Anstrengungen seitens der Vereinten Nationen, internationaler Organisationen, Nichtregierungsorganisationen und der Zivilgesellschaft erreicht. Diese Arbeit muss jedoch dauerhaft erfolgen und erfordert die aktive Teilnahme aller Menschen.
Daher ermutige ich Sie, in Ihrem Engagement für die Menschenrechte nicht nachzulassen und weiter dafür zu wirken, dass alle Menschenrechte, und damit auch das Recht auf das eigene Heimatland, überall anerkannt und respektiert werden. Auf diese Weise werden wir zu einer neuen Weltordnung beitragen, die sich auf die Grundprinzipien der Würde und Gerechtigkeit für alle gründet.

Quellen und weiterführende Hinweise

  • Arbeitsstelle Vertriebenen- und Aussiedlerseelsorge der Deutschen Bischofskonferenz (Hg.): Erinnerung - Verständigung - Aussöhnung. 60 Jahre nach Kriegsende, Vertreibung und Flucht, Bonn, 2005, 7 - 13.