8.07.1945 Päpstliches Reskript

an Kardinal Hlond im Auftrag von Msgr. Tardini

Heilige Kongregation für die außerordentlichen kirchlichen Angelegenheiten

Vatikan, 8.7.1945

Prot.N. 4167/45

Hochwürdigste Eminenz,

da Eure Hochwürdigste Eminenz sich anschicken, Ihr edles Vorhaben, auf den eigenen Bischofsstuhl zurückzukehren, durchzuführen, hat der Papst gedacht, sich der klugen und einsichtsvollen Hilfe des eifrigen Primas von Polen zu bedienen, um auf bestmögliche Weise die heikle Materie der kirchlichen Vollmachten in jener geprüften Nation zu ordnen. Zu diesem Zweck hat seine Heiligkeit mir aufgetragen, Eurer Eminenz das Folgende mitzuteilen:

1. Im Verlauf des beendeten Konfliktes hat der Heilige Stuhl in Hinblick auf die speziellen Verhältnisse, in die die polnischen Diözesen gekommen waren, mehrfach an jene Ordinarien besondere Vollmachten erteilt. Jene, die nach dem Wortlaut der den einzelnen Schreiben beigefügten Klauseln noch in Geltung sind, sollen nicht widerrufen werden.

2. Außer in den in der vorhergehenden (Text-) Nummer vorgesehenen Fällen werde sich die polnischen Ordinarien, die Vollmachten benötigen, durch Eure Eminenz an den Heiligen Stuhl wenden müssen und darauf mögen Eure Eminenz sie zweckmäßigerweise aufmerksam machen.

3. Eure Eminenz aber mögen sich, wenn Sie die Möglichkeit haben, mit dem Vatikan telegraphisch in Verbindung zu treten, diesbezüglich an die Form halten, an die sich … in analogen Lagen die päpstliche Vertretungen halten, nämlich:

a) sobald Sie die Gesuche der Ordinarien erhalten haben, teilen Sie durch Telegramm an das Staatssekretariat die Zahl und die Natur der gewünschten Vollmachten mit und tragen dafür Sorge, dass auch das zuständige römische Dikasterium, wenigstens dann, wenn darüber Zweifel auftauchen könnten, angeführt ist.

b) Sobald Sie vom … Staatssekretariat die entsprechende Antwort erhalten haben, mögen Eure Eminenz zur Ausstellung der einzelnen Reskripte schreiten, der Praxis der römischen Kurie folgend. In der Anlage finden Sie die gängige Formulare der Reskripte, wie sie bei den verschiedenen Kongregationen üblich sind.

c) Wenn möglich am Ende des Jahres, oder sonst später, mögen Sie an dieses Sekretariat einen genauen Bericht über die Vollmachten und Dispensen, die auf diese Weise gewährt worden sind, einreichen, die Originale der Gesuche beilegen und den Betrag der Spende angeben, die von den Gesuchsstellern gemacht wurden.

4. Im Falle jedoch, dass es Ihnen unmöglich ist, telegrafisch mit dem Heiligen Stuhl Kontakt aufzunehmen (oder wenn es die besondere heikle Materie nicht erlaubt) und wenn gleichzeitig durch Verzögerung die Gefahr eines schweren Schadens gegeben ist, gewährt seine Heiligkeit Ihnen „specialissime facoltà“ (außerordentliche Vollmachten), die nur in Geltung bleiben, solange die besondere Situation besteht:

a) Diese Vollmachten umfassen alle einzelnen Gnaden und Dispensen, die der Heilige Stuhl zu gewähren pflegt. Ausgeschlossen bleiben aber:

- die Vollmachten, die Priester vom Zölibatsgesetz zu dispensieren,

- die Vollmacht, von der nichtvollzogenen, sakramentalen Ehe zu dispensieren,

- die Vollmacht, vom Ehehindernis der Schwägerschaft im ersten Grad der geraden Linie bei vollzogener Ehe (s. c. 97 §1) zu dispensieren.

b) Ausgeschlossen bleibt ebenfalls die Vollmacht, wahre und eigentliche (veri e propri) Bischöfe zu ernennen. Für die vakanten Bischofsstühle wird vorgesorgt werden – falls es nicht möglich ist, sie einem Kapitelsvikar anzuvertrauen oder anvertraut zu lassen – durch die Ernennung von Apostolischen Administratoren ad nutum S. Sedis.

Sowohl den Kapiteslvikaren als auch den Apostolischen Administratoren können die Vollmachten des Residentialbischofs verliehen werden.

c) Ich mache Eure Eminenz darüber hinaus aufmerksam, dass es Auffassung des Papstes ist, dass Dispensen vom Mangel des erforderlichen Alters für die Priesterweihe über 18 Monate nicht gewährt werden, wie auch, dass es nicht erlaubt ist, die Priesterweihe zu spenden, bevor die vorgeschriebenen Studien abgeschlossen sind.

d) Eure Eminenz wird selbst oder durch die Ortsordinarien geeigneten Personen die dem Heiligen Stuhl reservierten Benefizien verleihen können, jedoch nur, wenn die Übertragung nicht ohne schweren Nachteil hinausgeschoben werden kann. Sobald wieder normale Kommunikationsmöglichkeiten bestehen, werden Eure Eminenz oder die Ordinarien, die aufgrund subdelegierter Vollmacht das dem Heiligen Stuhl reservierte Benefizium übertragen bekommen haben, sich an die Dataria wegen der Ausstellung der Apostolischen Bulle wenden müssen, mit der die Verleihung selbst bestätigt wird.

e) Von diesen ganz besonderen Vollmachten wird Eure Eminenz im ganzen polnischen Territorium (in tutto il territorio polacco) Gebrauch machen dürfen.

f) Bei der Gewährung der verschiedenen Gnaden wird, soweit es möglich ist, dem Kurialstil gefolgt werden müssen, sei es was die Art und Weise, sei es was die Kautelen oder Bedingungen betrifft, die in den verschiedensten Fällen beizufügen sind. Zu diesem Zweck werden die Formulare dienen, die hier beigelegt sind, von denen oben die Rede war.

Für die Verleihung der Vollmachten und Dispensen, die kraft dieser Mitteilung erfolgt, werden die Ordinarien an den Heiligen Stuhl eine angemessene Spende, soweit es die Zeiten erlauben, abführen.

g) Im Falle der Notwendigkeit (z.B. wofern es Eure Eminenz unmöglich wäre, Ihre Funktion auszuüben) werden die „besonderen, außerordentlichen Vollmachten“, von denen hier die Rede ist, sowohl teilweise als auch ganz subdelegiert werden können.

h) Vom Gebrauch dieser „besonderen Vollmachten“ werden Eure Eminenz oder die Personen, die von Ihnen subdelegiert sind, genau Buch führen, um später, zu gegebener Zeit, ausführlichen und vollständigen Bericht dem Heiligen Stuhl vorzulegen.

Indem ich Ihnen das Vorstehende mitteile und den Heiligen Purpur küsse, beehre ich mich zu verbleiben, mit dem Gefühl tiefster Ergebenheit,

Eurer Hochwürdigsten Eminenz,

Demütigster, Ergebenster, Gehorsamster Diener

(gez.) Domenico Tardini

Quelle

Scholz, Franz: Zwischen Staatsräson und Evangelium. Kardinal Hlond und die Tragödie der ostdeutschen Diözesen, 3. Auflage, Knecht-Verlag, Frankfurt/Main, 1989, 95-98.

„Das formell noch nicht veröffentlichte Dokument ist fotokopiert in die Hände des Verfassers gelangt. Über dem Text steht, deutlich durch einen Querstrich abgesetzt: „Nachweis (Wykas) der außergewöhnlichen Vollmachten (nadzwyczajnych uprawień), die Kardinal Hlond vom Apostolischen Stuhl am 8. Juli 1945 erhalten hat.“ Fachleute sehen in dieser Formulierung die „außergewöhnliche“ Beauftragung. Der Anspruch des Kardinals müsste also auf diesem Text beruhen.“